Philosophie und Sozialforschung

Welche philosophischen und wissenschaftstheoretischen Positionen liegen dem Design Science Research zugrunde und wie gliedern sich die Methoden sozialwissenschaftlicher Forschung in den Designprozess ein?

Bearbeitet durch Lisa-Katharina Möhlen

Jedes Paradigma lässt sich einer oder mehreren wissenschaftstheoretischen Positionen zuordnen. Um diese Zuordnung für das DSR zu treffen, werden in einem ersten Schritt zunächst die philosophischen Grund-lagen skizziert (Guba, 1990). Dies gilt als Prämisse, um die eigene Forschung einzuordnen. In einem zweiten Schritt wird das DSR Paradigma in eine der wissenschaftstheoretischen Position eingeordnet (Goldkuhl, 2011). Zum einen wird auf die Entstehung und Entwicklung des DSR eingegangen (Hevner et al., 2004) und zum anderen wird die Bedeutung der wissenschaftstheoretischen Position für die eigenen Forschungsaktivitäten, anhand eines sozialwissenschaftlichen Beispiels, herausgearbeitet.

Schritt 1: Überblick über wissenschaftstheoretische Positionen

In Anlehnung an Kuhn (1976) versteht Guba (1990, S. 2017) ein Paradigma als

„[…] a basic set of beliefs that guides actions, whether of the everyday garden vari-ety or action taken in connection with a discliplined inquiry.“ Jedes Paradigma unterliegt also eigenen (normativen und ideologi-schen) Vorstellungen, die Handlungen im Allgemeinen und Forschung im Spezifischen formen. Erwähnenswert ist, dass die Positionen und somit auch Paradigmen ontologisch in realistische, nicht-realistische und gesellschaftskritische Theorien gegliedert werden. Um das DSR (in den Sozialwissenschaften) einzuordnen, sind die vier großen wissenschaftstheoretischen Positionen relevant (s. Abbildung 1).

Klassifikation von wissenschaftstheoretischen Positionen in Anlehnung an Guba (1990) und Goldkuhl (2011)
Klassifikation von wissenschaftstheoretischen Positionen in Anlehnung an Guba (1990) und Goldkuhl (2011)
  1. Positivismus: nicht-realistische Theorie, die besagt, dass es eine Realität gibt, die beobachtet, vorhergesagt und beeinflusst werden kann (ebd., S. 19f.).
  2. Pragmatismus: nicht-realistische Theorie, die besagt, dass Handlungen immer für eine (Weiter)Entwicklung der Praxis beitragen und somit einen praktischen Nutzen ausweisen (Goldkuhl, 2011).
  3. Konstruktivismus: nicht-realistische Theorie, die besagt, dass die Lebensrealität konstruiert und somit ebenfalls subjektabhängig ist (ebd., S. 25).
  4. Kritische Theorie: gesellschaftskritische Theorie, die besagt, dass gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse Handlungen formen und dies subjektabhängig, konstruiert und politisch sind (Guba, 1990, S. 24).

Zusammenfassend ist erkennbar, dass sich die vier skizzierten wissenschaftstheoretischen Positionen grundlegend voneinander unterschieden. Umso wichtiger ist es, die eigene Forschung paradigmatisch zu verorten. Eine solche Verortung ermöglicht, das zentrale Wissenschaftsverständnis zu definieren.

Schritt 2: DSR & die Wissenschaftstheorie des Pragmatismus

Entstehung, Entwicklung und Verortung

DSR entwickelte sich in den 2000er Jahren. Die Anerkennung als Paradigma ist auf Hevner et al. (2004) zurückzuführen. Das Ziel beschreibt der Autor mit

„extend the boundaries of human and organizational capabilities by creating new and innovative artifacts.“ Es wird deutlich, dass eine wissenschaftstheoretische Position des Wandels und des Gestaltens eingenommen wird. Goldkuhl (2011) beschreibt, dass es immer wieder Versuche der Verortung des DSR gab. Bisher gibt es zwar keinen Common Sense über die Verortung innerhalb einer wissenschaftstheoretischen Position, er selbst plädiert aber für die Verortung in der nicht-realistischen Theorie des Pragmatismus mit der Begründung des
Funktionellen mit dem Design von Artefakts und der Entwicklung von Theorie und Methoden. • Referentiellen als Fokus auf (Weiter)Entwicklungen und Handlungen. • Methodologischen als (Weiter)Entwicklung von Wissensbeständen durch making/doing. (ebd., S. 84)

Einordnung der eigenen Forschung anhand des Beispiels Sozialwissenschaften

Vorab gilt es die Foki und Schwerpunkte der verschiedenen Wissenschaftsbereiche zu beleuchten, da DSR v.a. im Kontext der Wirtschaftsinformatik entwickelt und erprobt wurde: • Sozialwissenschaften erklären die Realität, erforschen gesellschaftliche Zusammenhänge und Systeme. • Wirtschaftsinformatik gestaltet die Realität und erforscht soziotechnische Systeme und Zusammenhänge. Das bedeutet nicht, dass die jeweiligen Disziplinen sich nicht auch mit Erklären und Gestalten auseinandersetzen. Genuin ist in den Wissenschaftsbereichen die Frage nach dem WIE. Dabei geht es darum, Phänomene zu analysieren und zu erklären. Anhand der Abbildung 2 wird verdeutlicht, welche Rolle sozialwissenschaftliche Forschung im Kontext des DSR spielen kann.

Information System Research Framework nach Hevner et al. (2004)
Information System Research Framework nach Hevner et al. (2004)

Der linke Teil der Grafik bezieht sich auf die Erforschung der Gesamtzusammenhänge, mit anderen Worten von soziotechnischen Systemen. Die Sozialwissenschaften leisten dabei den Beitrag zu erforschen, wie und welche Bedeutung die Weiterentwicklung von innovativen Artefakte für menschliche und organisationsbezogene Fähig- und Fertigkeiten hat. Ein weiterer Schnittpunkt von DSR und sozialwissenschaftlichen Forschungsdesigns lässt sich in den Forschungsmethoden feststellen. Dies wird im Rahmen der qualitativen Sozialforschung exemplarisch anhand von Interviews dargestellt. Hier bieten z.B. sich Expert:inneninterviews an (Meuser & Nagel, 1991), um die Forschungsrelevanz systematisch zu erheben und das Expert:innenwissen in die Gestaltung von Artefakten einfließen zu lassen. Aber nicht nur qualitative, sondern auch quantitative oder Mixed Method Forschungsdesigns (Kelle, 2014) bieten sich im Rahmen des DSR an.

Literatur

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